Segeln – Das erste Drittel

Von St. Lucia aus ging es für mich mit der Fähre weiter nach Martinique. Dort wartete ein Segelboot mit 7 fremden, bereit mich aufzunehmen, für die gemeinsame Fahrt über St. Lucia, St. Vincent und Grenada bis nach Trinidad (& Tobago) um dort in der Hauptstadt den Karneval mitzumachen. Es kam anders…

Zunächst einmal mussten wir uns in Martinique mit Proviant eindecken. Martinique ist ein Überseegebiet Frankreichs und damit Teil der EU. Es fühlt sich ein bisschen wie zu Hause an. Nur wärmer. Mit mehr schwarzen, mehr Palmen, sowie schönerer Aussicht und allgemein besserem Wetter. Ich freue mich aber in dem wissen, dass hier Lebensmittelstandards einzuhalten sind und ich wieder ohne lange Bedenken an jeder beliebigen Ecke etwas zu essen kaufen kann.

Taxis, allerdings, scheinen zurück im Kapitalismus ein rares gut und so machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Supermarkt. Vorbei an den schönsten Gegenden, die die Karibik zu bieten hat.

Ein Auto, ausgeschlachtet, mitten auf der Straße

Einmal im lokalen Aldi mit Proviant eingedeckt warten wir kaum erwähnenswerte 70 Minuten auf unser Taxi, das laut Aussage der Verkäuferin in nur 5 Minuten da sein soll. So laden wir unseren Einkauf dann in einen Taxi-Transporter, der uns für schlappe 50€ ganze 2 km zurück zum Hafen fährt.

Nun geht das Abenteuer los. Zurück an die Südspitze von Martinique. Das was die Fähre am Tag zuvor in 30 Minuten fährt, Bedarf einen gesamten Tag des segelns. Dafür ist die Aussicht aber auch besser.

Von der Seekrankheit

Seekrank, so viel wusste ich, werde ich nicht. Wäre ja auch schön blöd eine dreiwöchige Segelreise zu buchen, wenn man schnell Seekrank wird. Trotzdem kaufte ich mir in Martinique Pillen dagegen.

Der erste Tag im karibischen Meer gestaltet sich dann auch gleich so ganz entgegen der Erwartungen. Es regnet in Strömen. Der Wind peitscht ihn uns um die Ohren, und wir schippern durch Berge und Täler von Wasser. Im auf und ab des Schiffes, das von Seite zu Seite geschmissen wird, stelle ich fest, dass das flache, friedliche, Gewässer der Ostsee sich wohl nicht so ganz dazu eignet die eigene Resistenz gegen Seekrankheit abschließend zu bewerten.

Schöne Aussicht, miserables Wetter

Augen schließen hilft, doch das ist schwer wenn der Rest des Körpers damit beschäftigt ist nicht von Board zu fallen und der Regen sich durch die leichte sommerjacke frisst. Es wird kalt. Auch das hilft gegen den konstanten Schwindel im Kopf, aber nicht gegen Schnupfen, der sich direkt am nächsten Tag, zusätzlich zu dem sowieso schon bescheidenen Gesamtgefühl, einstellt.

Segeln ist doch toll, und die Aussicht erst.

Die Pitons von St. Lucia

Zwei Tage vergehen so, bis ich zur Pille greife und dem Leiden ein Ende setze. Leider aber auch meinem Bewusstsein, denn scheinbar wird die Wirkung, Seekrankheit zu unterbinden, dadurch erreicht, dass sie einen in den Tiefschlaf versetzen wollen. Von meinem Mitsegler Bernd erfahre ich, dass es hilft sich unter Deck schlafen zu legen. So tausche ich die Aussicht gegen eine enge, heiße, Koje.

Eine Bucht auf St. Lucia

Dennoch gibt es Lichtblicke. Beim Ankern in Buchten, beim Landgang und nach einigen Tagen in der Koje gewöhnt sich der Körper an das permanente Schaukeln. Dessen Abwesenheit an Land bringt den Gleichgewichtssinn nun vollends durcheinander, sodass mir überall, auf dem Schiff, wie auch an Land, ein bisschen schwindelig ist.

So zum Beispiel beim Einklarieren, dem Anmelden von Menschen und Waren in einem Land. Auf St. Vincent täten wir dies in der Bucht, in der die Eröffnungsszene des ersten Teils von Fluch der Karibik gedreht wurde.

Gebracht wurden wir, von unserem Boot bis in die Bucht, von unserem kompetenten 6 jährigen Bootsführer. Der sah, wie ich Aufnahmen machte und insistierte ebenfalls auf eines der Bilder zu kommen.

Genauso begeistert, bestaunte er dieses Bild und nickte anschließend seine Zustimmung

Von dort ging es weiter nach Port Elizabeth. Ein kleines Städtchen mit Promenade für Touristen. Das TAXI TAXI aus Kuba wird durch englischsprachige Standverkäufer ersetzt. Üblicherweise haben Sie ein breites Repertoire an Verkaufsgegenständen, die nicht zwangsläufig auch miteinander zu tun haben müssen. Angefangen bei Armbändern, über Aloe Vera Seife, Weed und zur Not auch einfach nur Geschichten erzählen, wird alles an einem einzigen Stand feilgeboten. Die Händler mit dem breiten Warenangebot können aber auch recht schnell ausgeblendet werden.

Kompetent beim Früchtekauf. Dieser Händler bot uns erst nach Geschäftsabschluss etwas Weed an.

Etwas abseits der Promenade gibt es dann auch die tatsächlichen Häuser der Einwohner zu betrachten. Wie immer sieht diese Welt so ganz anders aus als die für die Touristen gebaute Fassade.

Hier wohnt ein verschrobener Mensch
An seinen Zaun nagelte er seine Thesen

Nun, da ich das Liegen in der Koje für mich entdeckt hatte, blieb ich dort auch für die Überfahrt nach Union Island. Und das, obwohl es nicht mal mehr der Pillen bedurfte. Wie in einer Hängematte wird man hin und her geschaukelt, döst ein bisschen vor sich hin und kann über dieses und jenes nachdenken.

Kuba zum Beispiel, oder Argentinien.

Union Island

Auf Union Island halten wir für 2 Tage und genießen die Bucht. Tatsächlich gibt es hier, bis auf ein zwei Hütten, keine Zivilisation. Nach all dem Wind, dem schlechten Wetter und den Wellen, sind wir angekommen in der Karibik.

Hier bleiben wir zwei Tage und genießen die Bucht und das Nicht-Segeln. Der Morgen beginnt mit einem beherzten Sprung ins etwa 27° warme Wasser. Die 300 m zum Strand sind schnell geschwommen. Dort kurz verweilt und in der aufgehenden Sonne getrocknet, geht es wieder zurück zum Schiff, wo bereits warmer Kaffee wartet.

Mein neuer Begleiter auf Union Island
Eine Piña Colada zum Nachmittag

Am Abend gehen wir in die ansässige Bar und essen creolische Küche vom Grill. Dort erleben wir eine fantastische Sicht auf die untergehende Sonne.

Werbung und Realität

An diesem Abend stellt sich nach und nach heraus, dass der Veranstalter sein Programm doch recht vollmundig formulierte. Während wortreich der Karneval in der Haupstadt Port of Spain beworben wurde, bei dem wir „hautnah, live dabeisein“ werden, ist die Realität eine andere.

In Port of Spain dürfen wir nicht einlaufen. Dies wied ohne weitere Angabe von Gründen vom Veranstalter verboten. Stattdessen würden wir in einem Hafen, etwa 10 km entfernt, ankern und könnten uns dann ja ein Taxi nehmen. Da wir ankern würden, müsste auch die Fahrt von Hafen zu Boot und umgekehrt von einem Wassertaxi bestritten werden. Also irgendwie nur dabei, statt mittendrin. Einen Liegeplatz zu reservieren ist zwar

Der Eintritt auf eine der Bühnen des Karneval beginnt bei 40-50€ pro Tag. Das ist wohl beim Beschreiben der Tour irgendwie unter den Tisch gefallen.

Genauso wie der Hinweis, dass Trinidad ein Gelbfiebergebiet ist, es auch nicht in die Ausschreibung geschafft hat. Aus Trinidad ausreisenden kann ohne entsprechenden Impfnachweis die Einreise in so ziemlich jedem Land verwehrt werden, das wir auf der Rückreise durchfahren. Drei der acht Reisenden haben weder Impfung noch Impfausweis dabei. Die Sorge verbreitet sich, dass die wieder-Einreise problematisch werden könnte. Das ich schon auf der Durchreise dort war und daher einen entsprechenden Stempel habe, bisher aber nie meinen Impfpass zeigen musste, vermag die Skepsis nicht ganz zu beseitigen.

Das wir seit einer Woche durch die Karibik schippern und keinen funktionierenden Kühlschrank haben, findet hingegen kaum noch Erwähnung. Es wurde einfach irgendwann akzeptiert. Die Hälfte unseres zu kühlenden Proviants haben wir bereits vor Tagen entsorgt. An den Geruch von verschimmelten Käse beim Öffnen des Kühlschranks lässt es sich nur schwer gewöhnen, aber er wird so gut es geht ignoriert.

Es gibt noch das Problem, dass eine Überfahrt nach Trinidad in etwa 20-24 std dauern würde und damit viel Zeit kostet, nur um eventuell an irgendeinem Industriehafen am andern Ende der Insel anzukommen um dort nach mehreren Taxifahrten zu einem überteuerten Karneval zu kommen von dem unklar ist, ob überhaupt noch überteuerte Plätze auf den Tribünen frei sind. Hinzu kommt noch Seekrankheit und mangelnde Erfahrung bei der Mehrheit der Crew.

Planänderung

Da aber alle den Aufenthalt auf Union Island genossen haben und die meisten auch noch nie hier waren, entscheidet sich die Gruppe den Karneval ausfallen zu lassen. Statt in zwei Kraftakten nach Trinidad und zurück zu kommen, nur um vielleicht oder vielleicht auch nicht Karneval zu sehen, möchten wir lieber weiter durch die Karibik segeln und mehr Zeit an Stränden und in Buchten verbringen.

Prinzipiell kann ich mich mit gutem Gewissen anschließen. Ein kleines bisschen finde ich es aber doof, dass ein Teil der Entscheidung daher rührt, dass der Veranstalter wider besseren Wissens fehlführende Informationen gegeben hat. Der Karneval war schon das Hauptverkaufsargument und es wäre schön gewesen wenigstens ehrlich zu beschreiben was uns erwartet.

Clifton

Am nächsten Tag müssen wir uns für die Überfahrt nach Grenada aus St. Vincent abmelden. Dafür fahren wir in einer abenteuerlichen Fahrt im Geländewagen über Stock und Stein eine Steigung hinauf, von der mehrfach bezweifelt wird, dass sie überhaupt anständig befahrbar ist. In ständiger Schräglage, ohne Anschnallgurte und gut durchgeschüttelt, geht es dann aber den Berg hinauf, wo eine gut asphaltierte Straße auf uns wartet und uns ins farbenfrohe Clifton zum Zoll bringt.

Aussicht vom Berg
Ein Fruchtmarkt in Clifton
Marktstände

Nachdem alles erledigt ist, führt unser Weg uns dann auch nicht einen ganzen Tag lang nach Trinidad, sondern ganz entspannt nach Carriacou, wo ebenfalls ein Karneval stattfinden soll. Der zwar kleiner, dafür aber auch sicherer und wesentlich entspannter zu erreichen sein soll. Nach 3 Stunden Fahrt kommen wir an.

Sonnenaufgang über Carriacou, während diese Zeilen geschrieben werden.

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