
Einige haben sich vielleicht gefragt, warum es so lange keinen neuen Blog-Eintrag mehr gab. Nun, es ist viel passiert und ich hatte viele aufeinanderfolgende, Kurzaufenthalte in verschiedenen Ländern. Da ich nie zum Auspacken kam, kam auch der Blog zu kurz. Jetzt aber sitze ich in Quarantäne in einem argentinischen Krankenhaus und habe Zeit. Viel Zeit.
Die letzten Tage in der Karibik waren ziemlich eventlos. Irgendwie ging die Zeit halt rum und nach einem 5 stündigen Flug landete ich in Miami. Dieses Abenteuer werde ich aber später noch näher beschreiben. Es dauerte ein paar Tage sich an die frostigen 20 Grad zu gewöhnen, mit denen die Leute hier scheinbar trotzdem glücklich waren. Als das ständige Kältezittern dann vorbei war und mir die Zähne nicht mehr ständig klapperten (kein witz) ging es auch schon weiter nach Argentinien.
Argentinien
Hier kam ich am 12. März an. Einen Tag nachdem ein Gesetz verabschiedet wurde, nach dem sich alle Einreisenden 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben haben. Der gleiche Tag an dem beschlossen wurde Flugreisen von und nach Miami zu unterbinden, da dieses über Nacht als Krisengebiet eingestuft wurde. Glück gehabt, dachte ich.
Einen Tag später fing ich an milde Grippesymptome zu entwickeln und bald darauf auch Fieber. Da ich nicht alleine in irgendeiner Airbnb-Butze saß, sondern Marcos – siehe Havanna – mich bei sich Zuhause einquartiert hat, kam es dazu dass ich mich testen lassen wollte.
Der Test dauert nach Angaben der Ärzte zwei Tage. Zeitangaben sind hier so eine eher unsichere Sache. Zum Zeitpunkt dieses Eintrags ist erst ein Tag vergangen. Es ist also noch unklar wie lange es tatsächlich dauern wird.

Damit man sich nicht langweilt und/oder ggf. auskurieren kann, verbringt man diese zwei Tage in Quarantäne in einem Krankenhaus und nicht zuhause.
Tag 0

Wichtig ist hier, dass jeder Arzt und jede Schwester Interesse an der Krankheitsgeschichte hat und sie erfragt. Niemand jedoch scheint sie auch niederzuschreiben. So befindet man sich in dem immer gleichen Gespräch mit den immer gleichen Fragen und immer gleichen Antworten, zu den Umständen, die einen hier her gebracht haben. Ab stationslevel jedoch kommt erschwerend hinzu, dass ich kein Spanisch spreche. Die Schwestern hingegen kein Englisch. Dennoch ist es wichtig den exakten Verlauf wiedergeben zu können. Zur Not halt mit Händen und Füßen.
Wie für Krankenhäuser üblich, wird in regelmäßigen Abständen mal dies gemacht, oder jenes, oder die Putzfrau kommt nochmal oder allgemein wollte man einfach mal reinschauen. Hauptsache irgendetwas ist.
Eines jedoch ist außerordentlich wichtig: Temperatur messen! Dabei macht sich niemand die Mühe sie zu notieren. Und meist verlässt die Schwester den Raum auch schon kurz nachdem das Thermometer angelegt ist. Ohne Ergebnis. Hauptsache gemessen. Da meine Symptome schon vor Ankunft hier abgeklungen sind, liege ich bei gesunden 36.7 – 36.8 Grad. Das konstante neu-gemesse, erscheint mir als hoffe man darauf, dass die Temperatur doch steigen würde und wird mir schnell zu doof. Ich nutze aus, dass die Schwestern meist bei der Messung gar nicht dabei sein wollen und das Thermometer auch nicht kontrollieren. So sage ich mit meinen neu erworbenen Spanischkenntnissen fleißig treinta y seis (kurze pause) y siete (36.7) auf. Das stellt sie zufrieden.

Tag 1

Für den ersten Tag zumindest. Am nächsten Morgen kommt es anders. Scheinbar gibt es doch irgendein Kollektiv, in dem diese Daten erfasst und geordnet ausgegeben werden. Das Krankenschwesterkollektiv vielleicht. Bei einer Auswertung muss die Anomalie des konstanten Wertes aufgefallen sein, denn mein Thermometer wird weggeschmissen und ich bekomme ein neues. Unter strengem Blick muss ich es anlegen und diesmal wird mit eigenen Augen kontrolliert. 36.8 (treinta y seis y ocho). Na gut.
Ein Blutsauerstoffmessgerät wird aufgebaut und getestet (98). Von nun an soll ich, immer wenn an die Tür geklopft wird, nicht nur Temperatur messen, sondern auch den Blutsauerstoff. Die Schwester geht. Das Gerät gibt bei nicht angeschlossenem Sensor alle 10 Sekunden ein schreckliches Piepen von sich. Nach fünf Minuten reicht es mir und ich mache etwas, das ich mich in Deutschland nie getraut hätte. Ich ziehe einfach den Stecker. Stille kehrt wieder in den Raum. In den sechs darauf folgenden Stunden, die bis zum Schreiben dieses Eintrags vergehen, klopft niemand an die Tür. Allerdings war eine Schwester da, um die Temperatur zu nehmen. 36.7.
Das Ende
In den stillen Momenten komme ich etwas ins Grübeln was die Zukunft meiner Reise angeht. In Argentinien wird derzeit vorsorglich nahezu jede Maßnahme, die auch in Deutschland getroffen wurde, eingeleitet. Dies soll die Ausbreitung verhindern. Derzeit gibt es nur etwa 60 infizierte hier und die Behörden erhoffen sich bei dieser niedrigen Zahl zu bleiben. Das sich diese Hoffnung wohl nicht erfüllt und die Fallzahlen, wie in Europa rasant ansteigen werden, ist wahrscheinlich.
Ganz Südamerika hat seine Grenzen dicht gemacht. Einreiseverbote in den USA, den karibischen und pazifischen Inseln existieren ebenso. Asien ist eh Tabu.
Der Pass, der mir noch vor Monaten Tür und Tor geöffnet hat, ist toxisch geworden. Entspanntes Reisen ist nicht mehr möglich. Und während draußen die ersten Nicht-Lebensmittelläden die Tore schließen müssen, ist klar, dass Argentinien das vorzeitige Ende der Reise sein wird. Gestern wurde ein 30 tägiges Flugverbot für Flüge aus Europa verhängt. Ob eine Ausreise möglich ist, ist unklar.
So rufe ich in der deutschen Botschaft an. Dort gebe ich meinen derzeitigen Krankenhausstatus bekannt und frage nach dem Rückholprogramm. Dazu gibt es aber noch keine Informationen. Ich soll abwarten und die Internetseite der Botschaft in regelmäßigen Abständen auf Neuigkeiten prüfen. Es wird bestimmt etwas dauern.
Zeit habe ich hier, in meinem weißen Zimmer ja mehr als genug. Zum Beispiel um die Aussicht zu genießen.
