
Der Dauerregen in Bogotá nervte dann doch irgendwann etwas und so war ich froh die nächste Etappe meiner Reise antreten zu können. Es sollte nach Salento gehen, wo ich bereits von jemandem erwartet wurde, der sich trotz zweier Absagen meinerseits und einigem damit verbundenen Herzschmerz, sofort bereit erklärte sein ganzes Wochenende mit mir zu verbringen!
Leíder
Eines Abends in Havanna rief ich Leíder an und erzählte ihm von meinen Plänen nach Kolumbien zu kommen. Wir kennen uns virtuell seit fast zwei Jahren, da er seit dieser Zeit mein Spanischlehrer ist. Das wir uns gut verstehen war schon lange klar und so hat es mir dann auch etwas Leid getan meine Kolumbienpläne im Dezember zur Seite gelegt zu haben. Nur um dann das gleiche für etwaige Reisepläne im April zu tun. Zurecht schickte er mir also ein ums andere Mal zerbrochene Herzen wenn er von meinen anderen Plänen erfuhr.
Umso mehr freute ich mich natürlich, dass er ohne zu zögern mir spontan für das nächste Wochenende zusagt, falls ich nach Kolumbien kommen sollte.
Das nächste Mal sprachen wir, als ich mich gerade aus meiner Casa ausgeschlossen hatte und meine kubanische Casa-Mutter mir sagte, dass die Nachbarin normalerweise den Schlüssel hätte, aber zur Zeit nicht zuhause sei und daher ihren Sohn losschicken würde, der mir den Schlüssel vorbeibringen soll. Aber Sebastian, sagt sie. Du musst warten, das wird dauern. Und wenn das jemand auf Kuba sagt, dann ist ernsthaftes warten angesagt. So rief ich Leíder an um ein bisschen die Zeit zu vertreiben und die Pläne nochmals zu bestätigen. Er erzählte mir von einem rundum sorglos Touristenprogramm, dass er mir zusammengestellt hatte.
Eine Rundfahrt auf seinem Motorrad, das ich bisher nur aus WhatsApp und instagram kenne, ein Ausflug ins Valle del Cocora, und gutes Essen, sowie guter Kaffee standen auf dem Programm.
Salento

Nach einer guten Flugstunde, ein bisschen Taxi fahren und noch etwas mehr Taxi fahren, bin ich dann in Salento und nach einer kleinen Taxierholung ist es dann soweit. Nach zwei virtuellen Jahren treffen wir uns im halbschatten an einer Ecke in Salento.

In dieser Nacht gehen wir gut essen. Die Spezialität der Region ist Trucha, ein Süßwasserfisch, der aus den umgebenen Gebirgsseen gefischt wird. Gereicht wird der mit großen dünnen fritierten Bananenstücken.

Anschließend gehen wir etwas durch das Örtchen, trinken ein zwei Bier und setzen uns letztendlich auf den Gipfel der lokalen Anhöhe von wo aus es ein fernes Gewitter zu beobachten gibt.

Vom Motorradfahren
Am nächsten Tag holte mich Leíder mit seinem Motorrad ab und etwas später als geplant brechen wir auf in Richtung Armenia um dort zu Frühstücken. Das hörte sich alles toll an, bis mir auffiel, dass ich eigentlich noch nie auf einem Motorrad saß. Mofa und Roller ja, schon und die haben mir dann bei 30 kmh auch schon angefangen Angst zu machen. Schöne Theorie und harte Realität prallen aufeinander als wir mit zügiger Geschwindigkeit durchs Dorf düsen. Zweimal falle ich fast herunter und krampfe mich danach an dem Motorrad fest. Leíder weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts davon und so heizen wir mit 100 km/h über die Schnellstraße. Ich sterbe tausend Tode und das ist nun mittlerweile auch auf dem Fahrersitz aufgefallen. Fahren wir deshalb langsamer? Anfangs nicht.
Ich bin semi begeistert von unserer neuen Fortbewegungsart, aber bin auch fest entschlossen es mitzumachen. Eines sei an dieser Stelle verraten: Ich werde mich den Tag über nicht daran gewöhnen, auch wenn ich mich nach und nach etwas mehr entspannen kann. Wenn auch nie entspannt bin. Die Aussicht allerdings war der Hammer und hat die Strapazen gerechtfertigt.




Auch wenn ich dem Beifahrer-sein auf dem Motorrad nicht so extrem viel abgewinnen kann, reift doch in mir der Gedanke mir einen Führerschein zu machen um nächstes Jahr mit dem Moto durchs Land fahren zu können. Denn dass das hier die beste Fortbewegungsart ist, ist offensichtlich.
Pijao
Der erste längere halt auf unserer Reise ist Pijao. Hier wohnt ein Teil von Leíders Familie und weil seine Eltern zufällig in der Stadt sind, lerne ich die beiden kurz kennen. Die Stadt kommt mir bekannt vor, da Teil des Unterrichts war, dass wir uns gegenseitig zeigten wo wir wohnen. Es ist spannend die Orte dann auch in echt mal zu sehen. Hier trinken wir einen traditionell zubereiteten Kaffee und als ich mit meinem Latte ankomme, möchte Leíder kurz nichts mehr mit mir zu tun haben. Wie ich nur Kaffee mit Milch bestellen könne fragt er mich entsetzt. Also lasse ich das und schließe mich dem puren Kaffee an.
Es wäre auch ein Fehler gewesen, der Kaffee war wirklich etwas Besonderes und es wäre ein enormer Fehler gewesen dort irgendwas anderes hinein zu tun. Viel sanfter und reicher an unterschiedlichen Geschmäckern war er. Nicht so wie unser Filterkaffee, den ich sonst mit Kaffee verbinde.




Da mir leider mein Rasierer abhanden gekommen ist gehe ich zum ersten Mal im Leben zum Barbier und weil es mir etwas langweilig erschien einfach den selben Schnitt wie immer machen zu lassen, sage ich dem Barbier, dass er sich gerne künstlerisch ausleben kann. So Ende ich mit einem kolumbianischen Bart, der mir auch gar nicht so schlecht gefällt.

Von Pijao aus fahren wir nach Buenavista zum Essen und Sonnenuntergang anschauen. Als wir dort ankommen habe ich in zwei Fingerspitzen kein Gefühl mehr, weil ich mich so unglücklich am Motorrad festhalten. Bis heute ist das Gefühl nicht wiedergekommen, aber das wird bestimmt noch. Hoffe ich…





In Buenavista trinken wir einen letzten Kaffee und schauen uns den Sonnenuntergang an. Ein spannender Tag mit enorm vielen neuen Eindrücken, und Erfahrungen und toller Begleitung neigt sich dem Ende zu. Als letzte Herausforderung steht eine Fahr bei Dunkelheit vor uns. Nach etwa 40 Minuten hoffen dass wir wirklich auf der Straße sind und hoffentlich kein Auto uns überfährt kommen wir in Armenia an, wo sich unsere Wege für heute trennen. Ich spüre schon einen Muskelkater in den Armen und vermisse noch immer das Gefühl in zwei fingern. Es war ein toller Tag.



