Hannover
Am Mittwoch morgen ging die große Reise dann endlich los. Diesmal nicht, wie gewohnt, von Frankfurt aus, sondern ganz gemütlich direkt vom Hannover Flughafen. Gemütlich ist dann auch das richtige Wort, denn, vermutlich wegen der Einsparungen während Corona, ist alles mit viel Wartezeit und anstehen verbunden.
Hannover ist ein Flughafen der nicht auf Gäste vorbereitet ist, aber voller Gäste ist, die ihrerseits nicht auf den Flughafen vorbereitet sind.
Da ist zum Beispiel Thomas, der seine Frau und ihre Bekannten zum Flughafen gefahren hat, um sie für eine Reise in die Türkei zu verabschieden. Während ich in der Schlange zum Check-In stehe, höre ich seine Frau mehrfach verzweifelt nach Thomas rufen. Thomas aber ist mal wieder verschwunden ohne ein Wort zu sagen. Die Familie schwärmt aus um nach ihm zu suchen. Zurück bleibt nur der Vater, um auf die Sachen aufzupassen. Seine Tochter gibt ihm die instruktionen auf Türkisch und entschwindet in den tiefen des Flughafens. Als sie außer Sicht ist, taucht Thomas aus dem Nichts auf und schickt den Vater kompliziert und mit Händen und Füßen kommunizierend zum Check in. Seine Frau würde dort warten. Nun wartet Thomas alleine auf sich selber, während die anderen im Flughafen nach ihm suchen.
Vor mir in der Schlange steht ein wichtiger Mensch. Ein sehr wichtiger Mensch. Nicht die Art wichtig, die Anzug tragen, sondern die Art die so wichtig ist, dass die Wichtigkeit auch im casual Outfit bereits zu tragen kommt. Und weil so jemand so wichtiges nicht einfach cool in Lederjacke, Jeans und Business Hemd, am Flughafen steht, hat er sein Handy in der Hand und bekommt einen Anruf nach dem anderen. Sein Arbeitskollege Jens, so erzählt er seiner Begleiterin, hat es mal wieder nicht richtig auf die Reihe bekommen. Aber er hat ein Telefonat von 72 Minuten Länge aufgezeichnet und fragt ob er er sich anhören will. Was genau es ist, das Jens nicht geschafft hat erfahre ich leider nicht.
„Thomas, da bist du ja, wir haben dich überall gesucht“ schallt es von hinten und Thomas Frau hält ihm eine Standpauke so kurz vor dem Abflug nicht einfach so zu verschwinden.
Vor mir klingelt das Handy wieder. Und weil jemand so wichtiges nicht einfach irgendeinen Klingelton hat, erklingt ein ums andere Mal die amerikanische Nationalhymne aus seiner rechten Arschtasche. Es ist Jens. Er hat noch Nachfragen auf die es aber keine richtigen Antworten gibt.
„Wo sind die denn nun schon wieder hin?“ höre ich Thomas hinter mir. Dort wo vor kurzem noch die Wagen mit den Sachen der Familie seiner Frau standen, steht nun Thomas mehr oder weniger verloren rum, dreht sich mehrfach im Kreis und wirft verzweifelt die Arme in die Luft. Thomas ist mal wieder verloren gegangen.
„Ohh say can you seeeeee?“ Ertönt es aus dem Hintern vor mir. Jens hat das Problem gelöst. Und das ganz allein und ohne die 72 aufgezeichneten Minuten schicken zu müssen.
Als der singende Hintern vor mir wichtig am Check-In steht, stellt sich heraus, dass er nicht einfach irgendwohin will, sondern „natürlich in die Vereinigten Staaten von Amerika!“ Ich möchte mich ein bisschen übergeben. Allerdings wäre das verfrüht gewesen, denn auch wenn er alle Dokumente wichtig ausgedruckt hat und in einem wichtigen Reisehefter griffbereit verstaut hat, stellt sich schnell heraus, dass sein geliebtes Zielland für die Einreise mehr verlangt als er dabei hat. Und weil er Passierschein 38a eben nicht ausgefüllt hat, wird er zu einem anderen Schalter geschickt an dem er dies sehr wohl tun kann. Und weil wir ewigkeiten warten mussten freue ich mich etwas schneller dran zu sein.
Thomas ist nicht mehr dort wo er zuletzt seine familie suchte. Stattdessen schaut er seiner Frau von der Ferne aus beim Security check zu. Einmal muss sie umdrehen und umständlich durch die Absperrungen zurückgehen um jhm etwas zu geben und wieder zurück zu gehen. Nach einer Weile geht er dann vermutlich zurück zu seinem Auto und verirrt sich hoffentlich nicht auf dem Weg nach Hause.
London

Pünktlich in London angekommen bestätigen gute 2 Stunden Transfer von Terminal 5 zu Terminal 2, dass es eine gute Idee war den früheren Flug genommen zu haben, auch wenn das bedeutet 9 Stunden hier hocken zu müssen.
Der Schalter, an dem es gilt das Ticket für den Weiterflug zu holen ist nicht geöffnet. Er ist nicht mal zu sehen. Das liege daran, dass er erst um 17 Uhr öffnet. Eher so 18 Uhr sagt mir jemand als er um 17 Uhr noch immer nirgends zu sehen war. 19 Uhr hieß es dann und schließlich einigte man sich auf 2 Stunden vor Abflug, um 19:40 Uhr.
Als dann noch immer nichts zu sehen war wurden einige Menschen nervös. Das sei aber kein Problem sagte man uns schließlich an mehreren anderen Schaltern. Am Gate würden wir unser Ticket bekommen. Das aber wird erst um 20:30 Uhr veröffentlicht. Um 21:40 Uhr geht der Flieger.
Ein wenig nervös, ob es überhaupt weitergehen kann, ging eine kleine Gruppe transferierender zum Gate. Tatsächlich gab es dort dann auch Tickets. Das Meinige wurde mir aber verweigert, weil ich nicht vorweisen konnte auch wieder aus Kolumbien auszureisen. Also musste ich schnell einen Flug buchen. Und wie das ist wenn etwas schnell gehen muss: Es funktioniert einfach gar nichts. Und während neben mir die Leute ins Flugzeug stiegen fluchte ich sehr angespannt in mein Handy, weil es meine Kreditkarte einfach nicht akzeptieren will.
Letztendlich fliege ich nun nach Panamá und zwar am 1.1.2023 um 12 Uhr, weil es so schön günstig war. Den Mann mit den Tickets interessiert es nun auf einmal gar nicht mehr die Reservierung zu sehen, er winkt mich einfach mit meinen Tickets durch. Ich erinnere mich wieder warum ich damals dieses Land verlassen habe. Ich fluchen laut „Fucking Britain“ vor mich hin und werde von einer älteren Dame beäugt. Ich entschuldige mich bei ihr und erkläre mal hier gewohnt zu haben und dabei gelernt zu haben das Land von einer schlechten Seite zu sehen. Sie wischt meinen Einwand Weg und erwidert, dass es noch tausend mal schlimmer geworden sei.
Bogotá
Nach der Landung treffe ich die Dame aus london wieder. Gemeinsam suchen wir unsere Anschlussflüge morgens um 4 uhr Ortszeit. Sie ist Professorin an einer Uni in Newcastle und für die Arbeit hier. Sie erzählt mir, dass sie in den 80ern und 90ern, zweifellos die gewaltätigste epoche Kolumbiens, schoneinmal hier war und nun gespannt sei das Land neu zu entdecken. In Medellín, der damals gefährlichsten stadt der Welt, sei sie auch gewesen. Sie dachte sich, geld hätte sie ja eh nicht gehbt, da hätte man sie ja gar nicht ausrauben können. Ich bin beeindruckt von ihr und frage mich gleichzeitig ob ausrauben wirklichdas schlimmste war, was ihr in dieser Stadt gedroht hat.
In Bogotá lief alles reibungslos und nach einem sehr netten Aufenthalt in der VIP Lounge und dem Versuch etwas Schlaf nachzuholen, ging es nach 5 Stunden dann weiter nach San Andrés.


San Andrés
Nach 28 Stunden Anreise landet die kleine Maschine auf San Andrés, mitten in der karibischen See. Zu meinem ernsthaften erstaunen kommt sogar mein aufgegebenes Gepäck an. Unversehrt.
Am Flughafen werde ich von einer überschwemmten Straße, einer unglaublich drückenden Luft und von Leíder empfangen, der bereits einen Tag zuvor angereist ist. Er berichtet von starkem Regen am Tag und der Nacht zuvor.
Nach einer kurzen Taxifahrt kommen wir an unserer ersten Unterkunft im Zentrum der Insel an. Dort angekommen stellt sich schnell raus, dass die Fotos auf Airbnb und die Realität schon voreinander abweichen. Am wichtigsten aber ist wohl, dass wir kein fließend Wasser haben.
Die Gründe dafür variieren je nachdem zu welcher Tageszeit und mit welcher Intensität gefragt wird. Einzig das Versprechen dass es genau jetzt in diesem Moment repariert wird bleibt immer gleich. Gefolgt von der alles entscheidenden Frage ob wir wohl einen Roller mieten wollen würden.
Spoiler: Weder wurde das Problem behoben, noch haben wir einen Roller gemietet. Es wird trotzdem gut.
