Santa Marta – Irgendwie nett, mehr aber auch nicht

Nach einer fünfeinhalb stündigen Busreise in einem überraschend komfortablen Reisebus, der sogar über eine funktionierende und begehbare Toilette verfügte, komme ich in Santa Marta an. Hier erwartet mich eine Verabredung, die mit dem etwas chaotischen Aufenthalt in London und geschlossener Ticketschalter im Terminal 2 in Heathrow zu tun hat.

Regen in Santa Marta

Santa Marta

In Santa Marta angekommen, klärt mich mein äußerst ruppig fahrender Taxifahrer auf, dass es die letzten Tage über jeden Tag geregnet hat. Das kann man auch an den Straßen sehen, die voller Wasser stehen. Santa Marta ist mir sofort ein bisschen unsympathisch. Allgemein ist der erste Eindruck nicht unbedingt der Beste. Das Hotel hingegen macht einen super Eindruck. Es hat einen offenen Innenhof in dem ein paar Palmen gepflanzt wurden, sowie mehrere Hängematten gespannt sind und an dessen Ende sich ein kleiner Pool befindet. In diesem lässt es sich hervorragend das Bier genießen, dass man für wenig Geld an der Rezeption kaufen kann. Der Besitzer ist mega-freundlich und zuvorkommend und hat auch viele gute Tipps für seine Gäste parat.

Nach einem schnellen Check-In mache ich mich auf zum Plaza de Bolívar, der in keiner noch so kleinen kolumbianischen Stadt fehlen darf.

Ist Kolumbien eigentlich sicher?

„Ist Kolumbien eigentlich sicher?“, wurde ich häufig von meinen deutschen Freunden gefragt, bevor ich hier her gekommen bin. „Mach dir keine Sorgen, da wo ich unterwegs bin ist alles in Ordnung“, sagte ich dazu immer. Und von meinem kolumbianischen Freunden, wurde ich ein ums andere Mal gewarnt mich nicht zu blauäugig ins Abenteuer zu stürzen. „Verschließe die Augen nicht davor, dass es ein armes Land ist“, sagten sie. „Du kannst da nicht einfach wie hier durch die Straßen laufen“.

Die Wahrheit, zumindest aus der Perspektive eines Reisenden, der vorrangig in touristischen Gegenden unterwegs ist, liegt irgendwo zwischen „Pass immer auf! und „Mach dir keine Sorgen“. Wer über ein gesundes Gespür über sein Umfeld verfügt und in der Lage ist sich ändernde Lagen wahrzunehmen und darauf zu reagieren, der sollte hier eigentlich keine Probleme haben. Man sollte über ein Bauchgefühl verfügen, dass einem sagt, dass es im Moment nicht angebracht ist hier zu sein. Sei es wegen dunkler Straßen, komischer Gestalten, oder einfach weil es schon sehr spät in der Nacht ist. Je weniger Leute, und je dunkler, desto schlechter. Und wenn dieses Bauchgefühl anschlägt, dann sollte man nicht zu stolz sein schnell umzudrehen, oder sich durch ein Taxi in eine sicherere Gegend fahren zu lassen.

Da einem eigentlich immer gesagt wird wo es sicher ist, zum Beispiel durch erhöhte Polizeipräsenz in Tourizonen, hat sich dieses Bauchgefühl erst wenige Male gemeldet. Einmal, als ich in Medellín zu Fuß zu meinem Spanischlehrer gehen wollte. Das war quasi auf Ansage, denn er hatte mir vorher mehrfach geraten ein Taxi zu nehmen. Nur das ich die Distanz total unterschätzt, und seine Vorsicht ein wenig überschätzt habe. Zum Glück noch an einer Hauptstraße gehend, holte ich mir schnell eines der überall präsenten Taxen und war fix aus der Situation heraus.

Und einmal auf San Andrés, als Leíder und ich einmal falsch abgebogen sind. Wir haben beide zur gleichen Zeit das gleiche Wahrgenommen und sind etwas schnelleren Schrittes um die nächste Ecke und haben sichergestellt, nicht verfolgt zu werden von den drei Gestalten, die offensichtlich nichts Gutes im Schilde führten.

Das dritte Mal dann, war auf dem Weg zum Plaza de Bolívar.

Die halbschattigen, schlecht beleuchteten Straßen, mit Häusern, die teils am Verfallen waren und die Figuren, die sich geschickt im Schatten bewegten, waren ein eindeutiges Signal lieber schnell unter Leute zu kommen. Wegen des Regens wurde meine Hoffnung am ebenfalls schlecht beleuchteten Plaza auf Menschenmassen zu treffen dann jedoch nicht erfüllt. Die etwa 10-20 Leute, die aber da waren, waren Polizisten und liefen im Park wache. Ich war in der Touristenzone angekommen.

Santa Marta wurde mir noch etwas unsympathischer. Zumindest war ich etwas unglücklich mit der Lage meines Hotels.

Auch vor den Leguanen braucht man sich nicht zu fürchten.

Sven

Da wir irgendwie nie ein Foto gemeinsam gemacht haben, ist Sven hier in Medellín zu sehen

Sven und ich lernten uns in London am Flughafen kennen. Da der Flug von Hannover nach London von British Airways, der Weiterflug dann aber mit Avianca war, wurde mir in Hannover aufgetragen mir in London ein neues Ticket zu besorgen. Dafür gäbe es einen Schalter, sagten sie. Ob ich mein Gepäck auschecken müsste, wüssten sie nicht, aber sei ja kein Problem, könnte ich ja erfragen. Klingt alles so herrlich einfach, hätte es den Schalter auch wirklich gegeben. Ich berichtete. Ich war nun bei Weitem nicht der Einzige der nicht wusste wie es nun weitergehen sollte und so ging einer nach dem Anderen zu der einen oder anderen Ansprechperson. Einer dieser Leute war Sven.

Ob der etwas verwirrenden Ticketlage kamen wir ins Gespräch Wir kamen ins Gespräch und die verbleibende Stunde bis zum Flug verbrachten wir zusammen über dieses und jenes sprechend. Noch relativ planlos was er in Kolumbien tun soll verstehen wir uns ganz gut und verabreden uns locker dort wieder zu treffen, falls die Umstände es so wollen.

Und sie wollen. Nach einer Woche Medellín hat er Lust auf die Karibik und weil ich noch nicht bereit bin für Medellín, sondern noch etwas länger in der Karibik bleiben möchte, einigen wir uns auf Santa Marta.

Nachdem wir ein bisschen oberflächlich das Zentrum erkunden und etwas gegessen haben, trennen sich unsere Wege vorerst wieder. Es ist bereits dunkel und ein Security, den wir ansprechen, rät uns ganz dringend davon ab in unsere Straßen zu Fuß zu gehen, sondern doch lieber ein Taxi zu nehmen, denn unsere Unterkünfte liegen jeweils außerhalb der sicheren Zone. Also geht’s mit dem Taxi nach Hause. Es braucht fast ein bisschen länger, als es zu Fuß gedauert hätte, kostet aber auch nur etwa 1,80 €. Ein bisschen nervig ist es trotzdem.

Am nächsten Tag regnet es. Und es regnet weiter und weiter und weiter. Das Dach in meiner Unterkunft ist undicht und es tropft rein. Zum Glück nur in die Dusche. Ein kurzer Gang zum Supermarkt endet in totaler Durchnässung. Zwischendurch kommt die Nachricht an, dass die Walking Tour für den kommenden Tag aufgrund eines Feiertags abgesagt wird. Santa Marta ist doch doof.

Noch mehr Regen in Santa Marta

Am nächsten Tag verabreden wir uns um trotz der abgesagten Tour das Zentrum etwas bei Tageslicht zu erkunden. Ich buche mir noch eine Tour in den Nationalpark Tayrona. Indigene Dörfer besuchen, mit Tagestour durch den Dschungel laufen und so. Wird aber abgesagt, wegen Regen…

Weil der große Simon Bolívar auch in Santa Marta gestorben ist, schaue ich mir seinen letzten Wohnort an. Es wird die einzige Attraktion in Santa Marta bleiben, denn alles andere wird aufgrund des Regens abgesagt.

Den Tag haben wir uns aber ganz gut ausgewählt, denn zwar regnet es nur gelegentlich und recht wenig, aber dafür ist im ganzen Zentrum Stromausfall. Das hat die Läden natürlich trotzdem nicht vom Verkaufen abgehalten und die Restaurants auch nicht vom Kochen abbringen lassen. Stattdessen liefen überall Generatoren und machten die Hitze noch heißer und ersetzten durch ihre lauten Motoren die sonst überall in ohrenbetäubender Lautstärke laufendene Musik. Wo sonst jeder Laden in eine Musikanlage investiert um den Nachbarladen noch um ein paar Dezibel zu überbieten, und das Trommelfell des vorbeigehenden bis zum äußersten zu strapazieren, brüllte nun ein Generator nach dem Anderen.

Neue Freunde und Alte Bekannte

Im Hotel angekommen geht nicht nur plötzlich der Strom wieder, es fängt auch wieder an zu regnen. Von der Hitze schlapp und von der Luftfeuchte erschlagen, kaufe ich mir ein, dank Generator, gut gekühltes Bier im Hotel und setze mich in den Pool.

Dort lernte ich Señor Kenneth kennen, der ein US-Amerikanischer Rentner ist und schon seit mehreren Jahren in Kolumbien lebt. Er kann nur minimal Spanisch und ist der Auffassung, dass es besser sei, wenn man sich nicht verstehen könne. Das würde nur zu Problemen führen, wenn die Frauen einen verstünden, sagte er und lacht ein unangenehm dreckiges Lachen.

Bei den Ansichten, die er danach von sich gibt, muss ich ihm dann schon ein bisschen Recht geben. Ich verstehe ihn und finde ihn unausstehlich. Es ist wirklich äußerst unangenehm in seiner Umgebung zu sein, aus Angst seine komischen Ansichten könnten irgendwie auch als die meinen aufgefasst werden. Wenn Leute vom alten Weißen Mann sprechen, dann ist er gemeint. Latent Frauenfeindlich, äußerst sexistisch, Prepper, natürlich pro Trump und Klimawandel gibt es nicht. Dieser Charmbolzen wird von einer etwa 10-20 Jahre jüngeren Kolumbianerin begleitet, die zwar irgendwie ihren eigenen Raum hat und Besitzerin eines Hotels ist, aber doch mit ihm zusammen reist. So ganz habe ich die Beziehung nie verstanden.

Paula, so heißt sie, ist im Gegensatz zu ihrem Begleiter eine ganz hervorragend nette Person und es macht richtig Spaß sich mit ihr zu unterhalten. Sie spricht ausschließlich Spanisch, was eine Unterhaltung zu dritt durchaus schwer gestaltet und weil Señor Kenneth schwerhörig ist, versteht er auch nur die Hälfte von dem was ich ihm übersetze.

Wie wir so in dem Pool sitzen, bereits beim dritten Bier und uns der Regen auf den Kopf tröpfelt versucht Paula Señor Kenneth zu erzählen, dass die Ananas in Kolumbien Piña, in Uruguay aber Ananas heißt. Das war ein bisschen zu spezifisch und als ich sie frage, wie sie auf diesen Vergleich kommt, erzählt sie mir, dass sie vor kurzem eine ganz wunderbare Dame aus Uruguay kennengelernt haben. Ob sie wohl Estella heißen würde, frage ich sie und weiß schon, dass es sich natürlich nur um meine neue Bekannte aus Cartagena handeln kann. Paula treffe ich noch häufiger im Pool bei Regen und Bier und schließlich gibt sie mir ihre Nummer und lädt mich in ihr Hotel ein, das in den kolumbianischen Bergen im Kaffeedreieck liegt.

Am letzten Tag machen Sven und ich dann doch noch die Walking Tour. Er auf Englisch, lediglich mit der Frau eines deutschen Renters, und ich mit ihrem Ehemann und ein paar anderen auf Spanisch, bzw. deutsch. Denn ein deutscher Rentner, der lässt einen dann auch irgendwie nicht so einfach los. Er war aber auch tatsächlich ein ganz netter und die Tour war sehr ausführlich und cool.

Auch wenn es Schade ist, dass wir die Tour erst am allerletzten Tag machen konnten hat sie Santa Marta doch noch in ein gutes Licht gerückt, denn auf der Tour wurde uns zitat: „Das Getränk der Engel“ gereicht. Lulo in Orangensaft. Beides frisch gepresst versteht sich, mit Eis vermischt und zu Schaum geschlagen. Es ist ein Traum und ein Geschmackserlebnis, das seinesgleichen sucht. Am besten schlürft man ihn direkt vor Ort mit Aussicht auf den von Kohle verseuchten Meereshafen von Santa Marta.

Es fängt wieder an zu regnen. Wir gehen aber trotzdem zum Strand, der schwarz vor Kohle ist und baden in schwarzem Wasser, in dem die Partikel sichtbar vor sich hin schwimmen. Auf der dunkleren Haut der Eingeborenen fällt die Färbung nicht so auf, wir zwei beiden weißen Milchpackungen hingegen haben nach verlassen des Wassers schon ein paar Pigmentstufen hinzugewonnen. Naja, dafür war es karibisches Meer und eine wilkommene Abkühlung. Die Haut juckt aber nun schon ein bisschen. Ob real oder eingebildet vermag ich nicht zu sagen, aber die anschließende Dusche im Hotel fühlt sich reinigender als sonst an.

Am Abend treffen wir uns noch ein letztes Mal zu einem richtig mega geilem Essen beim Peruaner. Sven fliegt nach Hause, und ich, ich steige in den Bus zurück nach Cartagena. Vermeintlich um dort die Sonne zu genießen.

Spoiler: Zur Zeit ist „Regenzeit“ in Kolumbien und Cartagena steht unter Wasser. Wer hätte das schon ahnen können.

Plato Mixto al estilo peruano

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