Cartagena die Zweite

Nach der Enttäuschung, die Santa Marta mit seinem Dauerregen darstellte, fuhr ich glücklich wieder zurück nach Cartagena. Dort erwartete mich mehr Regen, noch etwas Regen und letztendlich Krankheit mit Regen. Stellt sich heraus: Es ist Regensaison.

Dating in Cartagena

Die Entscheidung wieder zurück zu fahren, statt einfach weiter der Küste entlang Richtung Venezuela zu fahren ist einerseits meinem großen Gepäck geschuldet, dass ich bisher noch nicht loswerden konnte und andererseits hatte ich das Gefühl noch nicht ganz fertig zu sein mit der Stadt. So habe ich mir Riohacha gespart und saß wieder im Bus zurück nach Cartagena.

Zurück in der Stadt, ist meine Unterkunft diesmal in einem anderen Stadtteil gelegen und wie es der Zufall will, ergibt sich gleich am ersten Tag ein Date. Wir einigen uns auf einen Spaziergang durch Getsemaní, wo ich das letzte mal war und das mir sehr gefallen hat. Nach ein paar ersten Floskeln, ja ich bin Tourist…, noch nicht lange in der Stadt…, schon seit ein paar Wochen in Kolumbien…, kommen wir am Plaza de la Trinidad vorbei, wo ich natürlich sofort von Venezuela gesehen werde. Er wirkt glücklich mich wieder zu sehen und nach ein paar freundlichen Worten kaufen wir zwei Bier von ihm für unseren Rundgang.

Ich merke wie ein Davids Augen mich von der Seite zu durchbohren versuchen. Nein, starte ich einen Erklärungsversuch. Ich bin wirklich noch nicht lange hier…, versuche ich es nochmal und erzähle wie Venezuela mich gefunden hat.

Weil es wirklich über alle Maße schwül und heiß ist, wird reines existieren zur schwitzigen Angelegenheit. Wir setzen uns auf die alte Stadtmauer und prompt läuft der Guide der Walking Tour von vergangenener Woche an uns vorbei. Wirklich, so lange war ich nicht hier, erkläre ich erneut…

Ein Piratenpapagei

Am übernächsten Tag setze ich mich in ein Taxi um in einen ganz anderen Stadtteil zu fahren und David von der Arbeit abzuholen. Dort arbeitet er in einem Starbucks und um mir die Wartezeit bis zum Schichtende zu verkürzen, schenkt er mir einen Latte Grande. Mit dem heißen Getränk in der Hand stromer ich durch den Laden, auf der Suche nach einem Sitzplatz. Da ruft jemand hinter mir meinen Namen. Ich drehe mich um und sehe einen anderen Tourguide, mit dem ich mich vor zwei Wochen eine gute halbe Stunde unterhalten habe, als ich auf die Walking Tour gewartet habe. Überrascht, dass er mich überhaupt erkannt hat, setze ich mich zu ihm und seinem Kumpel und wir unterhalten uns ein bisschen.

Aus dem Augenwinkel nehme ich wahr, wie nach mir gesucht wird. Schichtende. Also winke ich fleißig und beginne mich zu verabschieden. Auf dem Weg zur Tür merke ich, wie ich abermals fragend von der Seite angeblickt werde. Abermals versichere ich vor mich hinlachend, eigentlich nur wenige Tage in der Stadt gewesen zu sein. Es ist schon wirklich absurd in einer Stadt mit knapp einer Millionen Einwohnern zielgerichtet immer wieder auf die paar Menschen zu treffen, die ich zufällig kennengelernt habe.

Mir wird glauben geschenkt und später wird er sagen, dass ich gut darin sei neue Menschen kennenzulernen. Ich hingegen habe irgendwie das Gefühl, dass das einfach eher geschieht, ohne das ich großartig was dazu beisteuere.

Wir gehen zum Strand und werden durch eine Regenpause belohnt. Nach ein paar schönen Bildern vom Sonnenuntergang aber geht es direkt wieder los.

Sonnenuntergang am Strand

Krank in der Karibik

Die nächste Woche ist von Krankheit gezeichnet. Grippesymptome gesellen sich zu Wechselfieber, Schüttelfrost und Durchfall. Draußen regnet es ohne Ende bei 30 Grad und weil all das Wasser gleich wieder verdampft herrscht unglaubliche Schwüle. Drinnen versuche ich die perfekte Einstellung der Klimaanlage zu finden. Nicht zu kalt, aber trotzdem kühlend, nicht so warm, dass die Luft schwer zu atmen wird. Ich liege in dicker langer Winterjogginghose und dickem Pullover im Bett und verfluche die arschkalten 25 Grad der Klimaanlage. Kurz das Fenster aufgemacht strömt heiße feuchte Luft in den Raum und ich liege von Fieber geplagt in vollgeschwitzten Klamotten. Ein Wechselbad der Gefühle.

Dazu ein Durchfall, der keine Nahrungsaufnahme erlaubt und mich zusätzlich zu der enormen Hitze draußen auszutrocknen versucht. Wer auch immer beschlossen hat, dass Elektrolyte scheiße schmecken müssen, gehört bestraft. Auf den empfindlichen Magen kostet es viel Überwindung das Zeug runter zu bekommen und vorallem drinnen zu behalten. In einer der Frostphasen bemerke ich, dass ich nichts mehr zu trinken habe und gehe zum Supermarkt. In dickem Pullover eingehüllt werde ich merkwürdig angeschaut um so mehr, als in der Schlange stehend, die Fieberphase begann. Die fand den dicken Pullover bei der sowieso schon heißen Luft absolut doof und brachte mich an den Rand der dehydration, sowie den Pullover an die Grenzen seiner Feuchtigkeitsaufnahmefähigkeit.

Und weil ich mir nach ein paar Tagen dann doch etwas Sorgen gemacht habe, ob es nicht was ernsteres sein könnte, oder wie lange das nicht gehen soll, holte ich mir aus Kolumbien heraus medizinischen Rat bei Ana, einer kolumbianischen Ärztin, die in Deutschland wohnt. Globalisierung.

Nach gut 4 Tagen stellt sich dann aber vorsichtig ein erstes Hungergefühl ein. Und auch wenn es nur für ein ganz kleines Frühstück reicht, bin ich überglücklich.

Am nächsten Tag verabschiede ich mich von David, der sich zwar etwas schuldig fühlt mich angesteckt zu haben, sich aber auch Tag um Tag anbot Hilfe zu leisten. Eine andere Erfahrung als damals in Argentinien. Wir gehen die angeblich besten Arroz con Camarones (Reis mit Garnelen) in Cartagena essen und auch wenn es wirklich extrem lecker ist, passt gerade mal die Hälfte in meinen Magen. Aber: Es geht voran!

Hatte ich schon erwähnt, dass es geregnet hat?

Eine letzte Tour

An meinem letzten Tag nehme ich eher lustlos an einer Stadttour in einem Chiva teil. Das sind die traditionellen Busse Kolumbiens, die überall mit viel zu lauter Musik dröhnend durch die Straßen ballern. Die Tour hat nichts neues zu bieten und der Guide ist auch nur solala. Wer auf Humor der Hitparade des ZDF steht, dem wird aber garantiert nicht langweilig vor Kalauern.

Ein Chiva

Auf der Tour lerne ich zwei Amerikanerinen kennen. Wir unterhalten uns ganz hervorragend und auch wenn ich eigentlich wegen der gerade überstandenen Krankheit nichts trinken wollte, enden wir auf dem Plaza de la Trinidad. Venezuela findet uns sofort und an diesem Abend werden wir ihn auch nicht wieder los. Meine beiden Begleiterinnen haben einen Narren an ihm gefressen und auch er signalisiert Interesse und unterhält sich lebhaft mit uns. Natürlich immer die Versorgung mit frischen Getränken im Blick. Venezuela heißt eigentlich Jusue und zumindest sagt er, dass er 18 Jahre alt sei, auch wenn mir das etwas schwer fällt zu glauben. Insgeheim halte ich an meiner vorherigen Einschätzung von 15 Jahren fest.

Ich erzähle ihm, dass ich im Januar mit einem Freund wiederkommen werde. Er gibt mir seine Nummer und sagt ich solle ihm einfach schreiben wenn es soweit ist. Dann würde er mir mein Lieblingsbier holen, es kaltstellen und garantiert sicherstellen, dass es nie zu einem Versorgungsengpass kommen wird.

Unser gemeinsamer Abend endet in einer Pizzeria, wo mich die beiden Mädels nach San Diego einladen. Das ist nicht so weit von San Francisco, wo ein Bekannter wohnt, den ich schon seit 5 Jahren besuchen will. Da ich faktisch aber nicht mehr in die USA einreisen darf, wird daraus auf absehbare Zeit wohl nichts.

Es ist nämlich so, dass die armen USA sich gegen die massive Übermacht aus Kuba schützen müssen und es deshalb unter Trump wieder auf die Liste der terroristischen Länder haben setzen lassen. Diese Länder werden besonders hart sanktioniert und so wurde im März diesen Jahres unter Biden veranlasst, dass jeder, der in den letzten 11 Jahren nach Kuba gereist ist besonders verdächtig ist ein böser Mensch, vielleicht gar ein sog. Kommunist zu sein.

Daher ist die vereinfachte Einreise über das ESTA Programm nicht mehr möglich. Stattdessen muss einem geheimdienstlichen Hintergrundcheck zugestimmt werden und ein reguläres Visum beantragt werden. Das dauert aber bis zu einem Jahr Bearbeitungszeit und kostet viel Geld. Was sollen sie auch sonst machen die armen armen USA? Würden sie doch sonst von der Wirtschaftsmacht Kuba unterwandert und gegebenenfalls sogar sozialistisch oder gar kommunistisch. Und wo vorher eine Antipathie war, ist das nun ein ganz klares Signal diesen Ort einfach zu meiden.

Ist ja auch ganz gut. So müssen mich mehr Menschen hier in Südamerika besuchen um mich wiederzusehen. Mirko aus San Francisco zum Beispiel… Es sind ja auch schon 5 Jahre…

Am nächsten Tag dann geht es in einem äußerst dreckigen Flugzeug von Viva Air nach Medellín. Die Stadt des ewigen Frühlings soll mich nach einem Monat Karibik wieder an kühlere Temperaturen gewöhnen – Tatsächlich lässt es sich auch ohne Krankheit bei 25 Grad frieren. Hier werde ich meinen Sprachlehrer wiedertreffen und mich dann aufmachen durchs Kaffeedreieck in den Süden Kolumbiens.

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